(un)heimliches Leuchten – Sulamith Sallmann | Fotografin
Die Arbeiten der 1971 in Eilenburg geborenen Fotografin Sulamith Sallmann, sind stets durchzogen von einer Art entfernten Nähe. Immer wieder offenbart sich diese Distanz. Die eigene zum Sujet, zum Motiv, die in ihren Fotografien selbst zum Thema werden kann, aber auch die Entfernung bzw. Entfremdung der Menschen und Dinge, die sie abbildet. Jeder Mensch ist eine Welt; doch eine Überbrückung, eine gemeinsame Welt gar, scheint unerreichbar.
Dies jedoch unter dem Begriff Einsamkeit zu subsumieren trifft die Sache nur zum Teil, denn, zeigen ihre Bilder auch gesellige Anlässe, Gruppen von Menschen, offensichtliche Gemütlichkeit, traute Heimlichkeit; aus ihnen quillt oft ein Ungemach, der Zweifel bricht sich Bahn, die Reflexion transzendiert die Verschmelzung und hebt sie dadurch auf. Es scheint die stetige Frage darin enthalten: „wie lange noch (kann das gut gehen)“.
Es sind Bilder voll fragender Ungewissheit, besessen vom Thema der Intimität. Jene Intimität, die wir beschützen, verbergen, jene Verletzlichkeit und Unzulänglichkeit, die das Menschliche ausmacht und die wir doch bestmöglich versuchen im Alltag zu verbergen – in diese Welt, die explizit nicht für die Augen der Öffentlichkeit gedacht ist, die Welt der Heimlichkeit will die Fotografin uns entführen. Paradoxerweise erzeugt dies oft ein unheimliches Gefühl. Zum einen versetzt es uns in die Position des Beobachteten, wobei ein Gefühl des Ertapptseins entsteht. Zum anderen offenbart sich jedoch auch eine verstohlene, beobachtende Haltung, ein quasi voyeuristischer Standpunkt, der sich selbst nie verleugnet, ganz im Gegenteil.
Der Voyeur vergisst sich selbst, vereinigt sich, dem Narziss gleich, mit dem fremden oder eigenen Spiegelbild. Der Blick der Sulamith Sallmann ist verstohlen d.h. er ist sich seiner observierenden Natur bewusst, beinhaltet den Schauenden genauso wie das Geschaute. Es ist die ostentativ gestellte Frage: „Was darf ich, wenn darf ich sehen, anschauen, was bezeuge ich hier“. Als „Adoptivtochter“ eines früheren DDR-Dissidenten waren Observation und staatliche Willkür Teil des Alltags. Und sicherlich auch die Angst des „einen falschen Blickes“.
Die zweite formal-inhaltliche Ebene, die in der Arbeit der Künstlerin eine wesentliche Rolle spielt, sind die Wahrnehmungsverschiebungen, die Sie mit beständiger Regelmäßigkeit im Rahmen ihrer Migräneattacken erdulden muss. Die experimentellen Foto- & Folienarbeiten produzieren unheimliche, desorientierte Bilder, die uns einen Eindruck vermitteln wollen, wie es ist, wenn das Gehirn plötzlich etwas ganz anderes mit unserer Welt macht, als wir dies gewohnt sind oder von unserem Denkorgan erwarten.
Sulamith Sallmann fotografiert seit ihrem 14. Lebensjahr ohne je eine formelle Ausbildung in diesem Bereich genossen zu haben. Dabei fügt sie sich in eine lange Liste von Autodidaktinnen ein, die, wie sie, auf der Suche nach einem inneren Blick sich wenig von technischen oder ästhetischen Vorgaben leiten lassen. In Sachsen geboren und in Berlin aufgewachsen, begann sie 14 Jahre im Dunstkreis systemkritischer DDR-Künstlern und Autoren zu fotografieren. 1988 reiste sie mit ihrer Mutter und ihrer jüngeren Schwester in die BRD aus und ließ sich zunächst in Köln, später wieder in Berlin, nieder wo sie seit 1995 lebt und arbeitet.
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